Pfingstwoche 2009 auf dem IJsselmeer


Freitag, 29.5.09 Motto des Tages: Wir sind doch erwachsene Menschen
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Anreise in zwei Gruppen: Teils früh ohne Stau, teils später am Tag und dafür mit Stau. Die Fahrt durch die Niederlande dauert deutlich länger als von den reinen Kilometern geschätzt, da es zum Teil nicht über die Autobahn geht; allerdings wird man dafür durch anständig flache Landschaft und eine Klappbrücke über die IJssel entlohnt. Rainer Maria Rilke frohlockte: "Woran unsere Väter in geschlossenen Reisewagen, ungeduldig von Langeweile geplagt, vorüberfuhren, das brauchen wir. Wo sie den Mund auftaten, um zu gähnen, da tun wir die Augen auf, um zu schauen, denn wir leben im Zeichen der Ebene und des Himmels." Bevor es nach Stavoren zum Außenhafen geht, werden zunächst in Lemmer die Grundnahrungsmittel und Gebrauchsartikel eingekauft.
 
In der Marina tigert zunächst der Skipper zum Sailing Island Container, wo die Übergabe durch Ruud erfolgt. Diese beschränkt sich auf ein nettes Gespräch mit anschließender Aushändigung der von Ruud unterschriebenen Checkliste und Empfangsbestätigung für die Kaution. Auf die Frage, ob wir an Bord nachprüfen sollen ob wirklich alles da ist, antwortet er:
"Wir sind doch erwachsene Menschen. Was ihr findet gehört mir, was ihr verliert hat mir gehört."
 
Beim Rausgehen läuft Friedmar seinem speziellen Freund Aalderd über den Haufen. Nach herzlicher Begrüßung erhalten wir dann die Einweisung in die Waikiki an Bord durch Aalderd mit allerlei nützlichen seemannschaftlichen Hinweisen und Tipps. Damit ist das Schiff übernommen; die Seetüchtigkeit wird festgestellt, der Barograph mit 1033 hPa abgelesen, die Frequenzen für die lokalen Nachrichtensender für den Wetterbericht werden gesucht aber zunächst nicht gefunden - 91,8 für Kanal 1, die UKW-Sprechfunkkanäle sind schnell gefunden, auf Kanal 23 wird man den Wetterbericht der Netherlands Coastguard bekommen sowie die Sicherheitsmeldungen, das NAVTEX-Gerät wird überprüft, es dürfte einige Macken haben, außerdem haben wir noch den SMS-Wetterbericht zweimal am Tag insbesondere für den Seegang im Wattenmeer. Erste Logbucheintragungen werden gemacht. Crew: Friedmar (Skipper), Jan-Willem Co-Skipper), Martha, Christoph.
 
Danach werden die Feinheiten und Details im Coop in Stavoren besorgt, allerdings erst nach einer Stärkung durch Matjes und Leckerbek bei Doede Bleeker. Da der Fischfritze eigentlich zu ist - "Wir machen gerade sauber." - essen wir draußen auf einer Bank. Die Nachzügler treffen dann noch eine Stunde später als bei Überquerung der niederländischen Grenze geschätzt ein.






Samstag, 30.5.09
Motto des Tages: Papa, wo hast Du denn Deine Ausdrucksweise her?

Morgens um 0805 wird, wie auch an den folgenden Tagen, der Wetterbericht der Netherlands Coastguard auf UKW Kanal 23 eingeholt: No warnings. 0800-2000: IJsselmeer E-NE 4-5 Bft. Baro 32.
 
Das NAVTEX-Gerät ist tatsächlich unbrauchbar, über Nacht sind nur Schrottmeldungen eingegangen. Wie jeden Morgen gibt es ein umfangreiches Frühstück mit Brötchen und allen Schikanen. Nach der ausführlichen Sicherheitseinweisung üben wir kurz ein paar Knoten. Dadurch ist Friedmars Autorität mindestens bis zum Ablegemanöver sichergestellt. Dann wird das 1. Reff eingebunden.
 
Um 1205 heißt es Motor an. Wir liegen römisch-katholisch in einer Luvbox mit wenig Leeraum in der engen Gasse. Deshalb wird eine Manövrierleine an der steuerbordseitigen Mittelklampe belegt und über den luvwärtigen Dalben auf Slip zurückgeführt. Jan dreht uns dann aus der Box. Dann werden kurz An- und Ablegemanöver am Steg mit Eindampfen in die Vor- bzw. Achterspring geübt um ggf. beim Schleusen nicht allzu dumm dazustehen.
 
Um 1245 werden die Segel aufgeheißt. Zunächst geht's im 1. Reff auf Backbordbug in SW-liche Richtung mit Tagesziel Enkhuizen. Als luvwärtigstes Boot der auslaufenden Flotte segeln wir hart am Wind; die Erklärung folgt auf dem Fuß: Wir segeln direkt auf die Kardinaltonne VZ West zu, die dortige Wassertiefe im Vrouwezand ist in der Karte mit 1,8 m angegeben, darauf können wir mindestens 2,5 dm legen, denn als Kartennull gilt IJsselmeer Winterlevel, d.h. NAP-4 dm. Bei den Oever-Binnen beträgt der Wasserstand derzeit NAP-1,5 dm. Windstau berücksichtigt ergibt dies, daß wir derzeit im IJsselmeer durchweg mit 2,5 dm mehr Wasser unterm Kiel rechnen können als in der Karte angegeben, wir haben immerhin einen Tiefgang von 1,9 m. Übrigens ist bei Den Oever-Buiten LAT = NAP-115 cm, im Wattenmeer gilt LAT.
 
 Vor der Kardinal VZ zeigen wir der begleitenden Flotte eine Regattawende und schauen uns von dem neuen Holebug aus deren ausladende Hinterteile an. Den nun freien Seeraum nützen wir, um der pfingstlichen Ausflugsarmada weitere Segelmanöver zu zeigen.


Christoph übernimmt das Ruder und versucht Speed rauszuholen. Das funktioniert auch ganz gut, er sieht cool aus mit seiner schnellen Sonnenbrille, seine Mähne flattert im Wind. Wir segeln allerdings wie wild hin und her. Nach einem kurzen Schnack über maximale Höhe, optimalen Kurs und maximale Geschwindigkeit übernimmt Martha das Ruder. Das sieht dann schon viel eleganter aus, sie trägt definitiv die extravaganteste Sonnenbrille. Ganz die Dame: "Papa, wo hast Du denn Deine Ausdrucksweise her?"


Schließlich segeln wir vor Enkhuizen auf der 230° Richtlinie vor dem Wind ins Krabbersgat. Das nutzen wir, um den Seglerscharen einige butterweiche Halsen zu zeigen. Die Ansteuerungstonne ist die KG. Im Compagnieshaven fahren wir mangels Durchblick im regen Hafenverkehr zunächst evangelisch in die nächstbeste Box und bekommen dann die M14 zugewiesen. Gesamtdistanz für den Tag 17 sm, Tagesbeurteilung: Gutes Üben aller Manöver, prima Crew. Das Anlegerbier kommt vom Namensvetter, Hertog Jan.
 
Nach dem Frischmachen geht es auf einen Stadtbummel mit Zwischenhalt Abendessen: Unlimited Spare Ribs. Dadurch ist die Fleischversorgung für die Woche erledigt. Es gibt in Enkhuizen erstaunlich viele Katzen, wie wir feststellen können. Direkt neben dem Hafen liegt das Land of Water, eine Art Museumsdorf. Für einen Besuch hatten wir allerdings zu gutes Segelwetter.








 
Sonntag, 31.5.09 Motto des Tages: Noch ist es weitgehend freundlich.


Morgens hören wir uns um 0805 auf Kanal 23 den Wetterbericht an: Warning Texel NE 6. 0800-2000: IJsselmeer E-NE 3-5 risk shower. Forecast 2000-0800: NE 4-5 decreasing 3-4 risk shower. Baro 28 Tendenz fallend.

Wir beratschlagen: Eigentlich wollen wir ins Wattenmeer, alle navigatorischen Vorbereitungen sind getroffen; allerdings weht draußen bereits ein 4-5er Wind, Seegang 1 m, Tendenz steigend. Außerdem ist eine Starkwindwarnung raus. Wenn wir ins Markermeer schleusen und dann Hoorn ansteuern, haben wir die Option, später im Noordzeekanaal nach Amsterdam zu motoren mit der Aussicht auf die Damen im Schaufenster. Damit wäre aber das Wattenmeer abgeschrieben. Die Optimisten unter uns hoffen jedoch auf abflauenden Wind und sich nicht weiter aufbauendem Seegang und wir entscheiden, uns die Option Wattenmeer offenzuhalten. Als Tagesziel nehmen wir uns die Marina den Oever vor. Wir tauschen noch einen Mastrutscher aus, der sich verabschiedet hatte.
Um 1045 wird der Motor gestartet. Dann laufen wir zusammen mit einer regelrechten Armada aus dem Hafen aus. Um 1115 werden die Segel gesetzt, zunächst geht's ins 1. Reff. Die Armada segelt dann unter Land weiter, also vermutlich nach Medemblik. Wir entkommen ihr, indem wir Kurs auf das offene Meer setzen, um die Untiefe de Kreupel östlich zu umfahren. Da der Wind etwas abflaut reffen wir aus, gehen dann mit zunehmendem Wind wieder ins 1., dann ins 2. Reff und stellen fest, dass die Reffleine des 3. Reffs nicht in die Kausch eingebunden ist. Der Übung halber und weil es so schön (windig) ist, pickt sich Friedmar ein, knotet die Reffleine in die Kausch und wir binden dann das 3. Reff auch noch ein. Inzwischen hat sich der Seegang schon zu einem typischen 6er Seegangsbild aufgebaut mit fotogenen langgezogenen Schlieren.


Wir holen das Anemometer heraus. Die abgelesenen Windstärken werden relativiert und die Begriffe wahrer Wind, Fahrtwind und scheinbarer Wind werden verklookfiedelt. Die Aussicht, den Rest im engen Fahrwasser zu motoren und dann in der exponierten Marina eine unruhige Nacht zu verbringen, sagt uns nicht zu. Deshalb entscheiden wir kurz vor der Ansteuerungstonne WV 20 vorm Wieringer Vlaak, statt dessen auf halbem Wind nach Stavoren zurückzusegeln. Dies artet zu einer Bewährungsprobe aus, welche glänzend bestanden wird: "Nur die Harten kommen in den Garten." Das Boot wird steif getrimmt und segelt ruhig. Klaglos werden die Wellen weggesteckt. Die Option Wattenmeer ist zwar weiterhin gegeben, allerdings sind die Aussichten darauf deutlich eingetrübt.
 
Das römisch-katholische Mavöver in die Luvbox der Waikiki gestaltet sich schwierig und wir entscheiden uns, evangelisch in die schön breite Leebox der Spirit einzulaufen. Um 1715 heißt es "Motor aus". Gesamtdistanz für den Tag 24 sm, Tagesbeurteilung: Topp segeln am Wind bei gutem Seegang. Abends erfreut uns der Skipper mit einem leckeren Pastagericht.



Montag, 1.6.09 Motto des Tages: Der Schmetterling schützt die noble Blässe.

Wetterbericht um 0805: No warnings. Synopsis: H between Scotland and Island with a ridge across the North-Sea. 0800-2000: IJsselmeer & Texel N-NE 3-4 later 4-5 poss 6. Forecast: Texel N-NE 4-5 incr 4-6 gradually backing. Baro 27.


Wir entscheiden uns, auch wegen des SMS-Wetterberichts, der für das Wattenmeer zunehmenden Seegang bis 1,9 m vorhersagt, zunächst nicht dorthin, sondern statt dessen vor dem Wind in Richtung Enkhuizen mit Tagesziel Hoorn ins Markermeer zu segeln und die Entscheidung nach dem 1305 Wetterbericht zu überprüfen.

Um 1100 wird der Motor gestartet. Nach Verlassen des Hafens werden um 1125 bei Windstärke 2-3 die Segel gesetzt. Ein Bullenstander wird mit einem gigantischen Palstek in die Baumnock eingebunden und über die von Aalderd empfohlene Umlenkrolle ins Cockpit zurückgeführt. Das Vorsegel wird so ausgebaumt wie Aalderd es uns geraten hat. Das Cockpit liegt im Schatten der Schmetterlingsflügel, so dass auch die noble Blässe nicht gefährdet ist. Der Wetterbericht um 1305 bringt eine Warnung: Texel N-NE 6. Other no warning. Ansonsten wird der Wetterbericht von 0805 bestätigt. Deshalb wird das Wattenmeer endgültig abgeschrieben, das Segeln im IJsselmeer ist aufregend genug.
 
Um 1355 heißt es Motor an, Segel bergen. Wir motoren bei regem Verkehr mit vielen Traditions- und Großseglern durch das Krabbersgat auf die Naviduct Yachtschleuse Enkhuizen zu. Das Schleusen gestaltet sich völlig problemlos, kaum haben wir festgemacht und den Nachbarn geholfen, heißt es auch schon wieder Leinen los. Um 1450 wird der Motor wieder gestartet und die Segel werden gesetzt. Im Markermeer beunruhigt uns zunächst die Tiefenanzeige; dumm, dass das Lot einen halben Meter Sicherheit berücksichtigt. Hier ist das deutlich zu viel, deshalb müssen wir für ordentlich Krängung sorgen.


Wir segeln zunächst im 1. dann im 2. Reff bei halbem Wind, später am Wind, welcher sich von 3-4 auf 4-5 verstärkt. Um 1715 wird der Motor gestartet, die Segel werden geborgen. Im Grashaven von Hoorn gibt es einen Meldesteg, so dass wir bequem per Gegensprechanlage die Box A 115 zugewiesen bekommen. Neben uns liegen noble Yachten mit dem Logo hr. Um 1745 heißt es Motor aus. Tagesdistanz 27 sm, Tagesbeurteilung: Großartiges Segeln vorm Wind, prima Schleusenmanöver.

Abends gibt es gebratenen, leicht angeschmolzenen panierten Schafskäse mit griechischem Salat und Schwarzbrot. Lecker.
 













Weiter geht es mit einem Stadtbummel durch Hoorn, zunächst vorbei am Oostereiland, dessen Name natürlich die zu erwartende Reaktion hervorruft, zum Hauptturm. Hier liegen einige schöne Traditionssegler, zum Teil mit an Deck singender Besatzung. Wir folgen dem Kai vorbei an weiteren teuren Yachten und gelangen zu echten Hausbooten, will sagen, schwimmenden Häusern. Ob der Tageszeit verzichten wir dann im Folgenden auf die Besichtigung mehrerer schöner Kirchen bzw. beschränken uns auf Begutachtung von Außen, treffen aber immerhin noch Jan Pieterszoon Coen, Generalgoverneur der Niederländischen Ostindien-Kompanie und eigentlicher Gründer der Kolonie im heutigen Jakarta, auf seinem Sockel auf dem Käsemarkt. Zurück im Hafen ist das Bad bereits geschlossen, in den Toiletten gibt es aber auch die entsprechenden Möglichkeiten.





  
Dienstag, 2.6.09 Motto des Tages: Schau mal die brütenden Punkerenten.

Hoorn hat neben dem üblichen UKW-Kanal 23 auch noch den Kanal 80 für Wetterbereicht und Warnungen:
No warnings. Synopsis: H between Island and Scotland. L develops over Sweden moving little. 0800-2000: IJsselmeer & Marken N 4-5. Forecast: IJsselmer N-NW 4-5. Baro 22.
 
Da Amsterdam zu weit ist, heißt das Tagesziel Lelystad.


Bei starken seitlichen Böen fahren wir aus der Box. Um 1135 werden die Segel im vorbereiteten 2. Reff gesetzt und der Motor wird ausgeschaltet. Auf Halb-Wind-Kurs segeln wir zur Position 52°32,0' N, 005°11,6' E; wo wir um 1255 ankern. Wir binden eine Ankerboje ein und Jan und Christoph lassen den Anker zu Wasser. Die Ankerkugel wird gesetzt, durch den Seegang hat aber nur Friedmar Lust, eine echte Mittagspause einzulegen und den vorbereiteten Obstsalat zu verzehren, deshalb fällt sie dann etwas kürzer aus. Beim Raufholen des Ankers müssen Jan und Christoph ordentlich schuften und es stellt sich heraus, dass die Vorrichtung beschädigt ist. Diesen Vorschaden hatten wir nicht bemerkt, Glück gehabt. Anschließend sichten wir an Steuerbord voraus einen Großsegler und ändern den Kurs, um ihn vor unsere Linsen zu bekommen.


Um 1600 wird der Motor nahe der OVD 1 des Oostvaardersdiep gestartet und die Segel bei inzwischen 5+ Bft geborgen. Dann laufen wir in das geschützte Wasser vor Lelystad ein. Bei der Bataviawerf funken wir die Houtribsluizn auf Kanal 20 an, uns wird die backbordseitige Kammer zugewiesen. Wieder gestaltet sich das Durchschleusen ins IJsselmeer unproblematisch aber immerhin klappen sie diesmal eine Brücke für uns auf. Im Houtribhaven legen wir bei heftigem Wind zunächst am Meldesteg an, dort wird aber nur auf einen Sprechfunkkanal verwiesen, den unsere marode Binnen-See-Sprechfunkanlage nicht hat. Christoph macht sich auf die Walz und wir bekommen vom Hafenmeister die Instruktion, die enge Gasse bis zum Ende zu durchfahren, da seien dann die Gästeliegeplätze. Als ein Schild auf einen Tiefgang von 1,7 m hinweist, wird auf engem Raum unter kräftiger Motorunterstützung gedreht und wir legen an einem Steg an. Tagesdistanz 21 sm, Tagesbeurteilung: Harter Tag am Wind bei 4-5+, das Ankern war eine wertvolle Erfahrung.
 
Der Hafen ist etwas ab vom Schuss. Es ist nicht das Ende der Welt, aber man glaubt, es sehen zu können. Wir fotografieren die brütenden Wasserhühner und Punkerenten (Haubentaucher) zwischen den Yachten. Das Boot wird für die Nacht gut festgemacht, der Wind heult. Es läuft die Gale Warning Nr. 60 ein: Texel IJsselmeer N-NW 6 (Engländer nennen das eine near gale warning?!).
 
Wetterbericht 1905: Warning Texel & IJsselmeer N-NW 6. Synopsis: H near Island wilth a ridge over England slowly decreasing, L over Sweden deepening, moving to Baltic states. 2000-0800: IJsselmeer: N-W 4-5 increasing possible 6. Forecast: IJsselmeer N-NW 4-5 first possible 6 occasionally shower moderate precipitation. Baro 24.
 
Etwas beunruhigende Aussichten für morgen. Werden wir bei einem 6er Wind auslaufen können? Was steht im Chartervertrag? Irgendwo stand, dass wir bei einem 6er Wind nicht mehr auslaufen dürfen, aber im Kleingedruckten heißt es: Das Auslaufen bei Windstärke sieben (7) oder mehr der Beaufortskala, oder wenn solche Windstärken vorhergesagt sind, bei Kursen gegen den Wind, auf offenen Seerevieren ist nicht gestattet. In der von Ruud unterschriebenen Checkliste und Empfangsbestätigung (Anlage zum Chartervertrag) steht: Ab Windstärke 7 darf der Charterer nicht mehr auslaufen, es besteht dann kein Versicherungsschutz. Damit wären wir aus dem Schneider. Am Mittwoch muss die Yacht zurück sein, wir sind gegen alles versichert, aber nicht gegen Charternachfolgeausfälle.
Martha, Christoph und Jan machen sich auf eine Erkundungstour in der Hoffnung, den Abendbrottisch bereichern zu können. An der Bataviawerf entsteht ein großes Schifffahrtsmuseum, das Einkaufszentrum daneben ist zwar schon fertig, aber ab 17:00 ist hier mit Ausnahme des Restaurants alles geschlossen. Weiter geht es zum Neubaugebiet, wo ein großes Wohn- und Geschäftshaus alleine vor einer neuen Kaianlage mit Traditionsseglern steht. Wir biegen ab in Richtung historischer Stadtkern (Lelystad wurde 1967 gegründet) und finden mit etwas Hilfe einen Supermarkt, der noch geöffnet hat.


Man soll ja nicht hungrig einkaufen, also wird nur schnell das Notwendige eingepackt und die enorme Käsetheke fotografiert bevor wir uns mit Hilfe des großen Turms bei der Schleuse als Orientierung auf den Weg zurück zum Hafen machen. Weil keine Matjes zu kriegen waren, kocht uns Christoph Spaghetti mit Hackfleisch. Alles al dente, perfetto. Um 2305 wird noch einmal der Wetterbericht abgehört.



Mittwoch, 3.6.09 Motto des Tages: Wollen wir hoffen, daß es nicht so schlimm kommt wie es schon ist.
                                                        (Karl Valentin)

Wetterbericht 0805: Warning Texel Harlingen IJsselmeer N-NW 6. Synopsis: H near Island with a ridge over the British islands slowly decreasing. L near Sweden deepening moving to Baltic countries. 0800-2000: IJsselmeer Marken: N-NW 5-6 decreasing 4-5 risk shower. Forecast: IJsselmeer Marken N-NW 4-5 possible 6 risk shower risk thunderstorm. Baro 22.

Bei einem 6er Wind dürfen wir noch auslaufen, bleiben aber dennoch zunächst im Hafen liegen und entscheiden uns, nachmittags unser Glück zu versuchen. Während des Wartens wird die Route geplant und ins GPS-Gerät eingegeben, zur Not wollen wir Enkhuizen anlaufen. Außerdem wird das 3. Reff vorbereitet.
 
Wetterbericht 1305: Warning Texel Harlingen IJsselmeer N-NW 6. Synopsis: H near Island with ridge over England almost stationary. 1400-0200: IJsselmeer Marken N-NW 5-6 decreasing 4-5 risk shower. Forecast 0200-1400: IJsselmeer Marken NW 4-5 risk shower. Baro 21.

Das sieht schon erheblich besser aus, hier im südlichen Teil des IJsselmeers weht ein 5er Wind, im nördlichen Teil wird der Wind vermutlich eher abflauen.
Um 1320 heißt es Motor an. Wir legen gegen den kräftigen achterlich einfallenden Wind vom Steg ab und fahren rückwärts zum Meldesteg, wo wir auf engem Raum drehen. Jan übernimmt und motort bis 1520 in dem kabbeligen, zunächst durch den Houputribdjik geschützten Wasser direkt gegen den 4-5er Nordwind an. Hier bekommen wir einige kleine Schauer ab, zum erstenmal übrigens, es ist aber weniger schlimm als befürchtet, später regnet es dann gar nicht mehr.
 
An der EZ 3 vom Enkhuizerzand werden die Segel gesetzt und Christoph übernimmt die ersten Schläge. Die Streckschläge gefallen, aber die Holeschläge nerven ihn. Das wenige Tuch wird flach getrimmt, Traveller nach Lee, perfekter Holepunkt auch für das Vorsegel und die Schoten werden dicht geknallt. So segelt das Boot ruhig und ungewöhnlich steif. Klaglos steckt es die Böen weg. Es liegt so ausgezeichnet auf dem Ruder, dass der Skipper an der Luvseite sitzend Teetrinken kann und mit den übrigen zwei Fingern das Ruder schon im Griff hat. Um 1600 läuft die Gale Warning #62 ein. Sie betrifft das IJsselmeer nicht: Texel Harlingen N-NW 6. Gut, dass wir jetzt nicht im Wattenmeer sind.
 

Als wir auf Holebug (oder ist es jetzt schon der Streckbug?) dem Vrouwezand bei der Kardinaltonne VZ Zuid bedenklich nahe kommen übernimmt Jan und kreuzt durch die Tonnentore LC 11, 12 des nahen Fahrwassers. Hier üben wir noch einige weiche Wenden um die Vorschoter nicht zu sehr schuften zu lassen.
 
Schließlich steuern wir Stavoren an. Um 1950 heißt es Motor an, Segel bergen. Wir nehmen die breiteste Gasse mitten im Buitenhaven und fahren um 2100 in eine Luvbox ein. Tagesdistanz 41 sm. Tagesbeurteilung: Härtester Tag für alle, großartiges Segeln am 4-6er Wind im 3ten Reff. Baro 19. Kurze Zeit später machen wir uns auf und erreichen noch das De Posthoorn, ein Eetcafe mit Diner & Lunch Gerechten, das uns nach Küchenschluß noch ein Abendessen zubereitet.



Donnerstag, 4.6.09 Motto des Tages: Dummstellen bringt Freizeit und Wohlbehagen.

Wetterbericht 0805: No warning. Synopsis: H near Island moving N, ridge over England extending to Belgium; L near Baltic States almoststationary. 0800-2000: IJsselmeer NW 4-5 showery rain good. Forecast: Texel IJsselmeer NW 4-5 decreasing 3-4 showery rain. 
Beim Hafenmeister heißt es: IJsselmeer 5-6 maximum 6. Baro 17. Heute ruhen wir uns nach dem anstrengenden Tag aus. Der Wind weht auch wieder etwas zu kräftig als dass das Verlangen, rauszufahren, allzu groß ist.
 
Um 1300 wird schließlich doch der Motor gestartet um einige Hafenmanöver zu üben und um zu Tanken. Bei kräftigem Seitenwind üben wir mehrmals in einer breiten Gasse mit viel Leeraum das römisch-katholische Einfahren in die Luvbox durch enges Heranpirschen und Werfen einer an die Mittelklampe belegten Manövrier- bzw. Drehleine über den Luvdalben und Eindampfen in dieselbe. Nach dem Tanken, wo das Anlegen an den luvwärtigen Steg leider nicht mit der Schokoladenseite, aber dennoch gut gelingt, wird dann in die enge Gasse eingefahren und am Luvdalben der Waikikibox in die backbordseitige Manövrierleine eingedampft. Nach dem Drehmanöver sind wir gerade vor bzw. fast schon in der Box und es wird nur noch kurz Rückwärtsgas gegeben. Nun muß die Crew ran und den Rest alleine durch Leinenmanöver bewerkstelligen. Auch das jämmerliche Klagen hilft nicht, der Motor wird nicht mehr zur Unterstützung herangezogen und schließlich um 1500 endgültig abgestellt.

Zum Abschluß nehmen alle noch an "Friedmars Wurfschule" teil. Beim nächsten Törn steht sie dann am Anfang. Die Leinen werden sauber belegt, vorbeiflanierende Passanten bewundern die aufgeschossene Großschot. Tagesdistanz 1 sm. Tagesbeurteilung: Prima Hafenmanöver, Crew gut beieinander. Abends gibt es als krönendes Highlight Labskaus mit frischen holländischen Matjes, herrlich, und Helgoländer Eiergrog, na denn, Prost!






















Freitag, 5.6.09 Motto des Tages: Die Schraube muss Ruud gehören.

Heute wird klar Schiff gemacht, die Reffs werden noch ausgebunden und das Groß wird präsentierfähig auf den Baum gebunden. Unter Deck wird noch schnell besenrein gekehrt und über Deck das selbige geschrubbt. Um 1100 kommt Ruud etwas früher als erwartet zur Abnahme. Wir berichten, daß eine Schraube gefunden wurde, die ja wohl ihm gehören müsse, denn er sagte ja, alles was wir finden gehöre ihm. Tatsächlich ist es eine Mutter, vermutlich also seine. Wir weisen auf einen entsprechenden Logbucheintrag hin.
 
Dann sitzen wir, nach einem kurzen Abstecher zu Doede's Vishandel in Stavoren zwecks letztem Haring und Leckerbek mit Patate und Majo, im Auto mit Ziel Heimat, wobei wir wie auf der Hinfahrt die schöne Strecke entlang des Deiches und durch die Dörfer nehmen. Martha wird in Bonn abgesetzt. Wir treffen gleichzeitig mit Maria ein, die keine Kerzen schluckt. Schade, warum eigentlich nicht? Es gibt noch ein lustiges Stündchen in Marthas Bude.