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*veröffentlicht im Tagungsband der 42.Jahrestagung der GMDS im September 1997
1 Einleitung
Ein Einsatz von rechnergestützten Informationssystemen
zur Bewältigung der täglichen Datenmengen bei der Behandlung
chronischer Krankheiten wie Diabetes mellitus ist sinnvoll und notwendig:
Arztbriefe und Patientenanschreiben müssen regelmäßig verschickt
werden, für ambulante Untersuchungen sollen Übersichten über
die bisherigen Patientendaten vorliegen, vom Gesetzgeber werden in §137
des Sozialgesetzbuchs Maßnahmen zur internen und externen Qualitätssicherung
gefordert.
In der Diabetologie verlangte man bereits 1989 in der St.Vincente-Erklärung
[1] den Einsatz von Computertechnologie, um eine Reduzierung
der diabetesbedingten Spätschäden (Erblindung, Nierenversagen,
Amputation) durch Maßnahmen der Qualitätssicherung zu erreichen.
Im Bereich der Erwachsenen-Diabetologie wurde die St.Vincente-Erklärung
bisher vor allem durch die DIABCARE-Initiative [2] umgesetzt.
Die von DIABCARE herausgegebenen standardisierten Erhebungsbögen sind
für den Bereich der pädiatrischen Diabetologie aber nur bedingt
geeignet. Ein speziell auf Kinder abgestimmter Bogen ist bisher noch nicht
erschienen. Das von der Arbeitsgemeinschaft „Qualitätssicherung in
der Pädiatrische Diabetologie“ 1995 verabschiedete Statement zur Qualitätssicherung
[3] legt Leitlinien für die Behandlung jugendlicher
Patienten mit Typ-I-Diabetes nach Struktur-, Prozeß- und Ergebnisqualität
fest. Mit Hilfe des in Ulm entwickelten Computerprogramms DPV erfolgt eine
standardisierte Dokumentation der Diabetesbehandlung sowie ein Monitoring
sämtlicher in dem Statement erwähnten Qualitätsindikatoren
[4]. Das Diabetes-Informationssystem deckt die folgenden
Ebenen ab [5]:
2 Entstehung und Programmiermethodik
DPV wird seit dem Jahr 1989 in einem Team aus Statistikern, Diabetologen und Informatikern der Universität Ulm entwickelt. In den Jahren 1992 bis 1995 wurde das Projekt durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert. Die aktuelle Version des Programms ist in FoxPro 2.6 für MS-Windows (3.1, 95 und NT) geschrieben. Das Programm gliedert sich in das Ambulanzsystem (DPV) samt integriertem Qualitätsmonitoring und einem Modul für externe Qualitätsvergleiche (QS-DPV). DPV und QS-DPV sind komplett in XBASE geschrieben, mit der Ausnahme eines C-Programms zur Berechnung von Kernschätzerkurven für die Darstellung von Krankheitsverläufen. Abbildung 1– mehrschichtige Softwareteststrategie bei DPV
Um die Qualität des EDV-Programms zu sichern,
wird eine mehrstufige Teststrategie eingesetzt (Abbildung 1).
3 Die Bausteine des Informationssystems
3.1 Das Ambulanzsystem
Zur Vorbereitung der ambulanten Untersuchung eines Patienten werden
seine bisher gesammelten Daten als Zusammenfassung ausgedruckt. Um aus
den gesammelten Rohdaten Informationen zu gewinnen, werden wichtige anthropometrischen
Parameter der Kinder und Jugendlichen wie Gewicht, Größe und
Body-Mass-Index sowie der Blutdruck in SDS-Darstellung ausgegeben. Hierbei
handelt es sich um eine Transformation bezüglich Mittelwert und Standardabweichung
eines Normalkollektivs:
SDSpat = (Wpat - MWnorm) / SDnorm
mit:
Abbildung 2 – Darstellung der Body-Mass-Index-Werte (BMI). Kernschätzerkurve; Werte der 3.,50.,97.Perzentile der Normalwerte
In DPV auswählbar sind die für Süddeutschland geltenden Normwerte der Züricher longitudinalen Wachstumsstudie [7] wie auch die für den Norden maßgeblichen Werte der Düsseldorfer Studie [8]. Damit der behandelnde Arzt den Entwicklungsverlauf eines Kindes auf einen Blick einschätzen kann, werden Größe, Gewicht und Body-Mass-Index durch eine Kernschätzerkurve zusammen mit der 3., 50. und 97.Perzentile der gewählten Normstudien grafisch dargestellt (Abbildung 2). Auf dem Ausdruck finden sich außerdem der Verlauf des Qualitätsindikators „HbA1c-Wert “ sowie die vom Patienten gespritzten Insulineinheiten pro Kilogramm Körpergewicht. Nach einer ambulanten Untersuchung oder stationären Aufnahme eines Patienten werden die Daten vom behandelnden Arzt oder der Diabetesschwester in die Datenbank eingegeben. Aus diesen Daten wird dann automatisch ein Arztbrief an den betreuenden Hausarzt generiert. Dadurch wird der zeitraubende Umweg über die „Schreibstube“ der Klinik vermieden, und das umständliche Aktenwälzen entfällt für den behandelnden Arzt. In Ulm wurde so die Zeit zwischen Behandlung und Versenden des Arztbriefes von vier auf zwei Wochen reduziert. Von den verbleibenden 14 Tagen vergehen allein 10 Tage bis zum vollständigen Eintreffen der Laborwerte.
3.2 Internes Qualitätsmonitoring
Umfangreiche deskriptive Quartalsstatistiken in DPV ermöglichen
der jeweiligen Klinik ein eigenständiges Überwachen ihrer Behandlungsqualität,
ohne daß sie ihre Daten außer Haus geben müssen. Tabelle
1 gibt einen Überblick über die erfaßten Bereiche (es werden
insgesamt 250 Parameter ausgewertet):
Um einen Erfolg von Schulungsmaßnahmen nachweisen zu können, wird in der betreffenden Statistik ein Wilcoxon-Test zum Signifikanzniveau alpha = 0.05 eingesetzt. Hierbei werden die Mediane folgender Parameter für die geschulten Patienten ein Jahr vor und ein Jahr nach Schulung auf signifikante Verbesserung getestet: HbA1c-Wert, Body-Mass-Index, Blutdruck sowie Anzahl schwerer Hypoglykämien pro 100 Patientenjahren.
3.3 Austausch von Patientendaten zwischen verschiedenen Kliniken
In einigen Gebieten werden Patienten mit Diabetes von mehreren Kliniken und niedergelassenen Ärzten gleichzeitig betreut. So kann es beispielsweise sein, daß ein Patient bei einem niedergelassenen Arzt ambulant betreut wird, zur Schulung und zur stationären Aufnahme aber in eine nahegelegene Klinik geht. Für diesen Fall besitzt DPV eine Export- und Importfunktion für die Daten des Patienten. Die bisher gesammelten Einträge werden verschlüsselt auf eine Diskette gespielt, dem Patienten mitgegeben und am anderen Behandlungsort wieder in das Programm eingelesen. Somit ist jede Klinik über die Krankengeschichte informiert und kann sie ggf. ergänzen. Die Stammdatenzuordnung beim Einspielen erfolgt über die Eindeutigkeit von Vorname, Nachname, Geburtstag, Beginn des Diabetes und die Adresse. Wird der Patient nicht automatisch identifiziert, so kann er in der Datenbank neu angelegt oder einem bestehenden Eintrag zugeordnet werden. Die von Diskette eingespielten Datensätze einer fremden Klinik sind mit einer eindeutigen Signatur versehen und werden bei der Qualitätsstatistik nicht berücksichtigt. Sonst würde z. B. die Anzahl der Behandlungen für die Klinik verfälscht. Beachtet werden bei Im- und Export auch die ggf. unterschiedlichen Laboreinheiten der verschiedenen Institutionen. Das Ausdrucken eines Arztbriefes für einen Behandlungstermin einer anderen Klinik als der eigenen ist nicht möglich.
3.4 Externer Qualitätsvergleich
Die in einer Klinik berechneten Quartalsstatistiken können über einen Menüpunkt auf eine Diskette kopiert werden. Soll ein externer Qualitätsvergleich z. B. anläßlich eines Qualitätszirkels durchgeführt werden, so können die Daten der beteiligten Kliniken in das Zusatzmodul QS-DPV eingespielt werden. QS-DPV berechnet daraus die mit den Patientenzahlen der Kliniken gewichteten Mediane für sämtliche Qualitätsparameter und stellt das Ergebnis in einer anonymen Rangstatistik dar (Abbildung 1).
Abbildung 3 – Beispiel für eine Rangstatistik: Klinik XY ist weiß markiert und erfährt anonym ihren Platz in der Auswertung
Eine erste Pilotstudie wurde 1996 mit 23 beteiligten Kliniken und 2407 erfaßten Patienten durchgeführt. Die medizinisch relevanten Ergebnisse sind z.B. [6] zu entnehmen.
4 Zusammenfassung
DPV bietet ein umfassendes Konzept für die standardisierte Dokumentation der Behandlung von jugendlichen Patienten mit Typ-I-Diabetes. Durch den Einsatz von DPV als Ambulanzsystem entfällt eine doppelte Dokumentation der Patientendaten durch spezielle Erhebungsbögen zum Zweck der Qualitätssicherung. Die Daten für die Qualitätssicherung sind ein „Abfallprodukt“ der täglichen Routinearbeit, und ihre Eingabe bedeutet keine zusätzliche Arbeitsbelastung für das Diabetesteam. DPV ist zur Zeit an über 50 Kinderkliniken in der Bundesrepublik Deutschland im Einsatz.
5 Literatur
[1] H. Krans, M. Porta, H. Keen, Diabetes
Care and Research in Europe: the St.Vincent Declaration action programme,
in: Giornale Italiano di Diabetologia (1992) 12:2-47
[2] H. Hillenbrand (Hrsg.), H. Schmidbauer, E. Standl,
B. Willms, Qualitätsmanagement in der Diabetologie, Kirchheim, Mainz,
1995. S.191-196
[3] Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Diabetologie,
Statement Qualitätssicherung in der Pädiatrischen Diabetologie,
Monatsschrift für Kinderheilkunde (1995) 143:1146-1149
[4] R.W. Holl, E. Heinze, EDV-Einsatz in Diabeteszentren,
in: Diabetes-Journal/Schulungsprofi (1995) 3:23-30
[5] M. Grabert, R.W. Holl, P. Merkle, Ein Diabetes Informationssystem
zur Unterstützung von Routinearbeit, Qualitätsmonitoring und
prospektiver Dokumentation. In: K.-L. Krämer, H. Cotta (Hrsg.), Informationssysteme
im Unternehmen Krankenhaus: Von der Planung bis zur Realisierung, Tagungsband
der Fachkonferenz an der Universitätsklinik Heidelberg 1995, GeSi
Mannheim, Seiten 185-189
[6] R.W. Holl, M. Grabert, W. Hecker, H. Klinghammer, C.
Renner, F. Schweiggert, W.M. Teller, E. Heinze, Qualitätssicherung
bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes: Ein externer
Vergleich in 23 pädiatrischen Diabeteszentren, Diabetes und Stoffwechsel
(1997) 6:82-89
[7] A. Prader, L.H. Largo, L. Molinari, C. Issler - Physical
Growth of Swiss Children from Birth to 20 Years of Age. Helv. Paediatr.
Acta (1989) 43:1-128
[8] L. Reinken, G. van Oost, Longitudinale Körperentwicklung
gesunder Kinder von 0 bis 18 Jahren, Klin. Pädiatrie (1992) 204:129-133