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Definition und Multiplikationssatz

Häufig verfügen wir bei der Durchführung von Experimenten über Vorinformationen, die bei der Berechnung von Wahrscheinlichkeiten interessierender Ereignisse berücksichtigt werden sollen.

Bei manchen Untersuchungen wird jedoch lediglich (hypothetisch) angenommen, daß eine bestimmte Vorinformation vorliegt, wobei dann unter dieser hypothetischen Annahme gerechnet wird. Diese sogenannte Bayessche Methodik wird im weiteren Verlauf der Vorlesung noch genauer diskutiert.

Beispiele
 
  1. Skatspiel
    • Die Kenntnis der eigenen 10 Karten soll als Vorinformation über die Verteilung der übrigen 22 Karten genutzt werden.
    • Markieren die 32 Karten mit den Zahlen $ 1,2,\ldots,32$.
    • Betrachten Laplaceschen Wahrscheinlichkeitsraum, wobei $ \Omega$ die Menge aller Permutationen von $ 32$ Elementen ist ($ N=n=32$; mit Reihenfolge und ohne Zurücklegen)
    • Gesucht sei die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses $ A_2\cap
A_3$, wobei $ A_2=$ {Spieler 2 hat $ x$ Asse}, $ A_3=$ {Spieler 3 hat $ y$ Asse}, unter der Bedingung, daß das Ereignis $ A_1=$ {Spieler 1 hat die Karten mit den Nummern $ k_1,\ldots,k_{10}$} eintritt.
    • Lösungsansatz: Beziehen die Anzahl der Permutationen, bei denen $ A_2\cap
A_3$ eintritt, nicht auf die Gesamtanzahl $ 32$! aller möglichen Permutationen, sondern lediglich auf diejenigen Permutationen, bei denen das Ereignis $ A_1$ eintritt.
    • D.h., die gesuchte Wahrscheinlichkeit ist die (bedingte) relative Häufigkeit $ \vert(A_2\cap A_3)\cap A_1\vert/\vert A_1\vert$
    • Dabei benutzen wir die Schreibweise:

      $\displaystyle P(A_2\cap A_3\mid A_1)=\vert(A_2\cap A_3)\cap A_1\vert/\vert A_1\vert
$

      und nennen diese Größe bedingte Wahrscheinlichkeit des Ereignisses $ A_2\cap
A_3$ unter der Bedingung, daß das Ereignis $ A_1$ eintritt.
  2. Urnenmodell
    • Betrachten Urne mit $ N$ Elementen ($ S$ schwarze, $ R$ rote Kugeln), d.h. $ N=S+R$, vgl. Abschnitt 3.2.2;
    • 2 Elemente, $ 2\leq N$, sollen insgesamt ausgewählt werden (ohne Zurücklegen);
    • Sei $ A$ das Ereignis, beim zweiten Versuch ,,schwarz'' zu ziehen, und sei $ B$ das Ereignis, beim ersten Versuch ,,rot'' zu ziehen.
    • Gesucht ist die bedingte Wahrscheinlichkeit $ P(A\mid B)$, beim zweiten Versuch ,,schwarz'' zu ziehen, falls beim ersten Versuch ,,rot'' gezogen wird.
    • Es gilt

      $\displaystyle P(A\mid B)=\frac{\vert A\cap B\vert}{\vert B\vert}
=\frac{\frac{R...
...{N-1}}{\frac{R}{N}
\frac{S}{N-1}+\frac{R}{N}\frac{R-1}{N-1}}
=\frac{S}{N-1}\;.
$


Dies führt zu der folgenden (allgemeineren) Begriffsbildung.

Definition 3.11
$ \;$ Sei $ (\Omega ,\mathcal{F},P)$ ein beliebiger Wahrscheinlichkeitsraum, und $ A,B\in\mathcal{F}$ seien beliebige Ereignisse mit $ P(B)>0$. Dann heißt

$\displaystyle P(A\mid B)=\frac{P(A\cap B)}{P(B)}$ (12)

die bedingte Wahrscheinlichkeit von $ A$ unter der Bedingung $ B$.
Beachte
$ \;$ Die Definitionsgleichung (12) kann in der Form $ P(A\cap B)=P(B)P(A\mid B)$ geschrieben werden. Durch Iteration dieser Überlegung ergibt sich die folgende Aussage.
Theorem 3.12
(Multiplikationssatz)
Seien $ A_1,A_2,\ldots,A_n\in\mathcal{F}$ Ereignisse mit $ P(A_1\cap A_2\cap\ldots\cap A_n)>0$. Dann gilt:

$\displaystyle P(A_1\cap A_2\cap\ldots\cap A_n) = P(A_1)\,P(A_2\mid A_1)\,P(A_3\mid A_1\cap A_2) \,\ldots\, P(A_n\mid A_1\cap A_2\cap\ldots\cap A_{n-1})\,.$ (13)

Beispiel
(Skatspiel)


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Roland Maier 2001-08-20