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Charakteristische Funktionen
Charakteristische Funktionen sind ein wichtiges analytisches
Hilfsmittel in der Stochastik, insbesondere bei der Herleitung des
zentralen Grenzwertsatzes für Summen von unabhängigen, jedoch
nichtnotwendig identisch verteilten Zufallsvariablen; vgl. die
Abschnitte 5.3.4 und 5.3.5.
- Definition
- Sei
eine beliebige
Zufallsvariable. Die charakteristische Funktion
von ist dann gegeben durch
|
(78) |
wobei das Integral als Lebesgue-Stieltjes-Integral aufgefasst
wird.
- Beachte
-
Wir zeigen zunächst einige elementare Eigenschaften von
charakteristischen Funktionen.
Theorem 5.17
Sei
eine beliebige Zufallsvariable, und seien
beliebige reelle Zahlen. Dann gilt:
- 1.
- Für jedes
ist
|
(79) |
und
|
(80) |
- 2.
- Die charakteristische Funktion
ist
gleichmäßig stetig.
- 3.
- Für die charakteristische
Funktion von gilt
|
(81) |
- Beweis
-
- Die Gültigkeit von (79) ergibt sich aus der
Jensen-Ungleichung (4.71), denn für jedes
gilt
- Die Gleichung (80) ergibt sich auf ähnliche Weise,
denn es gilt für jedes
- Außerdem gilt für beliebige
- Hieraus ergibt sich die gleichmäßige Stetigkeit von ,
weil wegen des Satzes von Lebesgue über die beschränkte Konvergenz
- Für die charakteristische Funktion von gilt
- Beispiel
-
Wir leiten nun eine einfache Formel für die charakteristische
Funktion von Summen von unabhängigen Zufallsvariablen her.
Theorem 5.18
Seien
unabhängige Zufallsvariablen. Dann gilt
für jedes
|
(86) |
- Beweis
-
Weil und unabhängig sind, sind wegen
Theorem 3.18 auch die Zufallsvariablen
und , und bzw.
und jeweils
unabhängig, und für jedes
gilt somit
In Theorem 5.19 beweisen wir eine nützliche Umkehrformel für charakteristische Funktionen. Hierfür benötigen
wir die folgende trigonometrische Identität.
Einen Beweis von Lemma 5.10 kann man
beispielsweise in dem Buch von K.L. Chung (A Course in
Probability Theory, Academic Press, New York 1974) finden.
Theorem 5.19
Sei
eine beliebige Zufallsvariable mit der
Verteilungsfunktion
. Für beliebige Stetigkeitspunkte
von
mit
gilt
|
(88) |
wobei
die charakteristische Funktion von
ist.
- Beweis
-
- Beachte
-
- Aus Theorem 5.19 ergibt sich der folgende Eindeutigkeitssatz für charakteristische Funktionen.
- D.h., die Verteilung einer Zufallsvariablen ist
eindeutig durch die charakteristische Funktion von
bestimmt.
Korollar 5.5
Seien
beliebige Zufallsvariablen. Dann gilt
, falls
|
(89) |
- Beweis
-
Aus Theorem 5.19 ergibt sich schließlich der folgende
Stetigkeitssatz für charakteristische Funktionen.
Theorem 5.20
Seien
beliebige Zufallsvariablen.
Es gilt
genau dann, wenn
|
(91) |
- Beweis
-
Wir betrachten nun noch den Zusammenhang zwischen den Momenten und
der charakteristischen Funktion von Zufallsvariablen. Dabei zeigen
wir, wie die charakteristische Funktion in eine Taylor-Reihe
entwickelt werden kann.
Theorem 5.21
Sei
eine beliebige Zufallsvariable mit der
Verteilungsfunktion
. Falls
für ein
, dann gilt:
- 1.
- Die charakteristische Funktion von ist -mal
stetig differenzierbar, und
- 2.
- für jedes
|
(93) |
bzw.
|
(94) |
- 3.
- Außerdem gilt die Taylor-Reihenentwicklung
|
(95) |
wobei
eine Zufallsvariable ist mit
für jedes
und
.
- Beweis
-
- Beachte
-
- Mit Hilfe der Eigenschaften charakteristischer Funktionen, die in
den Theoremen 5.18, 5.20 und
5.21 bewiesen wurden, kann nun der zentrale
Grenzwertsatz in Theorem 5.16 für Summen von
unabhängigen und identisch verteilten Zufallsvariablen ohne
weiteres hergeleitet werden.
- Zur Erinnerung: In Theorem 5.16 hatten wir
gezeigt, dass für jede Folge
von unabhängigen und identisch verteilten
Zufallsvariablen mit
und
gilt:
|
(98) |
wobei
und
für jedes
.
- Weil
und
können wir o.B.d.A. beim Beweis von Theorem 5.16
voraussetzen, dass
und
, indem wir die
Gültigkeit von Theorem 5.16 zunächst für die
(unabhängigen und identisch verteilten) Zufallsvariablen
zeigen.
- Sei also
und
- Aus Theorem 5.21 ergibt sich dann, dass für beliebige
und
- Aus Theorem 5.18 ergibt sich nun, dass für
wobei
für
. Hieraus folgt,
dass
- Aus Theorem 5.20 ergibt sich somit, dass
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Ursa Pantle
2004-05-10