Das Riemann-Integral und der Hauptsatz.

Der Integralbegriff.

Seien $ \mbox{$a,b\in\mathbb{R}$}$, sei $ \mbox{$a < b$}$. Sei $ \mbox{$f:[a,b]\longrightarrow \mathbb{R}$}$ eine beschränkte Funktion. Zum Beispiel ist dies erfüllt, falls $ \mbox{$f$}$ stetig ist.

Sei eine Unterteilung $ \mbox{$\underline {x} = (a = x_0 < x_1 < x_2 < \cdots < x_n = b)$}$ von $ \mbox{$[a,b]$}$ gewählt. Der Flächeninhalt zwischen $ \mbox{$x$}$-Achse und Funktionsgraph (negativ genommen unter der $ \mbox{$x$}$-Achse) wird von oben angenähert durch die Obersumme

$ \mbox{$\displaystyle
\Sigma^\bullet(f,\underline {x}) \; :=\; \sum_{i = 1}^n (x_i - x_{i-1})\sup f([x_{i-1},x_i])
$}$
und von unten durch die Untersumme
$ \mbox{$\displaystyle
\Sigma_\bullet(f,\underline {x}) \; :=\; \sum_{i = 1}^n (x_i - x_{i-1})\inf f([x_{i-1},x_i])\; .
$}$
Stimmen das Supremum der Untersummen und das Infimum der Obersummen, genommen über alle Unterteilungen von $ \mbox{$[a,b]$}$, überein, so heißt $ \mbox{$f$}$ (Riemann-) integrierbar, und wir schreiben
$ \mbox{$\displaystyle
\int_a^b f(t) \,{\mbox{d}}t\; =\; \sup_{\underline {x}}\...
...,\underline {x})\; =\; \inf_{\underline {x}}\Sigma^\bullet(f,\underline {x})
$}$
für das Integral von $ \mbox{$f$}$ über $ \mbox{$[a,b]$}$.

Zum Beispiel ist $ \mbox{$f$}$ integrierbar, falls $ \mbox{$f$}$ stetig ist, oder auch, falls $ \mbox{$f$}$ monoton wachsend oder monoton fallend ist.

Anschaulich beziffert das Integral also den Flächeninhalt zwischen $ \mbox{$x$}$-Achse und Funktionsgraph, wobei die Teile unterhalb der $ \mbox{$x$}$-Achse negativ zu nehmen sind.

Man setzt noch

$ \mbox{$\displaystyle
\begin{array}{rcl}
\int_a^a f(t) \,{\mbox{d}}t & := & 0 ...
... f(t) \,{\mbox{d}}t & := & - \int_a^b f(t) \,{\mbox{d}}t\; . \\
\end{array}$}$

Zwischensummen.

Ist $ \mbox{$\underline {\xi} = (\xi_1,\dots,\xi_n)$}$ ein Tupel von Zwischenpunkten der Unterteilung $ \mbox{$\underline {x}$}$, wofür wir verlangen, daß $ \mbox{$\xi_i\in [x_{i-1},x_i]$}$ für $ \mbox{$1\leq i\leq n$}$, so erhält man eine Zwischensumme

$ \mbox{$\displaystyle
\Sigma_\bullet(f,\underline {x})\;\leq\;\Sigma(f,\underl...
... 1}^n (x_i - x_{i-1}) f(\xi_i)
\;\leq\;\Sigma^\bullet(f,\underline {x})\; .
$}$
Die Feinheit von $ \mbox{$\underline {x}$}$ sei gegeben durch $ \mbox{$\varphi (\underline {x}) := \max_{1\leq i\leq n} (x_i - x_{i-1})$}$.

Sei $ \mbox{$\underline {x}^{(k)}$}$ eine Folge von Unterteilungen mit $ \mbox{$\varphi (\underline {x}^{(k)})\to 0$}$ für $ \mbox{$k\to\infty$}$, und sei $ \mbox{$\underline {\xi}^{(k)}$}$ jeweils ein Tupel von Zwischenpunkten von $ \mbox{$\underline {x}^{(k)}$}$.

Ist $ \mbox{$f$}$ integrierbar, so gilt

$ \mbox{$\displaystyle
\lim_{k\to\infty} \Sigma(f,\underline {x}^{(k)};\underline {\xi}^{(k)})\; =\; \int_a^b f(t) \,{\mbox{d}}t \;.
$}$

Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung.

Für den Hauptsatz gibt es zwei Versionen, je nachdem, ob man von einer zu integrierenden oder von einer abzuleitenden Funktion ausgeht.

1. Sei $ \mbox{$I\subseteq \mathbb{R}$}$ ein Intervall, und sei $ \mbox{$f:I\longrightarrow \mathbb{R}$}$ stetig differenzierbar. Dann ist

$ \mbox{$\displaystyle
\int_a^x f'(t)\, {\mbox{d}}t \; =\; f(x) - f(a)
$}$
für (ein als fest gedachtes) $ \mbox{$a\in I$}$ und für $ \mbox{$x\in I$}$. Kurz: Integration macht Differentiation rückgängig (bis auf einen konstanten Summanden).

Diese Tatsache wird in der Regel zur Berechnung eines Integrals herangezogen. Man nennt $ \mbox{$f$}$ eine Stammfunktion oder Aufleitung von $ \mbox{$f'$}$. Dies wird auch durch das unbestimmte Integral ausgedrückt, geschrieben

$ \mbox{$\displaystyle
\int f'(t)\, {\mbox{d}}t \; =\; f(x) + {\mbox{const.}} \; ,
$}$
in welchem die Integrationsgrenzen noch unbestimmt sind.

Man schreibt für gegebene Integrationsgrenzen $ \mbox{$a,b\in I$}$ in einer Rechnung dann auch

$ \mbox{$\displaystyle
\int_a^b f'(t)\, {\mbox{d}}t \; =\; [f(x)]_a^b \; =\; f(b) - f(a)\; .
$}$

2. Sei $ \mbox{$I\subseteq \mathbb{R}$}$ ein Intervall, und sei $ \mbox{$f:I\longrightarrow \mathbb{R}$}$ stetig. Sei $ \mbox{$a\in I$}$. Dann ist

$ \mbox{$\displaystyle
\frac{{\mbox{d}}}{{\mbox{d}}x}\left(\int_a^x f(t)\, {\mbox{d}}t\right) \; =\; f(x)
$}$
für $ \mbox{$x\in I$}$. Kurz: Differentiation macht Integration rückgängig.

Komplexwertige Integrale.

Sei $ \mbox{$f:[a,b]\longrightarrow \mathbb{C}$}$ eine stetige komplexwertige Funktion, sei $ \mbox{$u(x) = {\operatorname{Re}}f(x)$}$ ihr Realteil und sei $ \mbox{$v(x) = {\operatorname{Im}}f(x)$}$ ihr Imaginärteil, also $ \mbox{$f(x) = u(x) + \mathrm{i}v(x)$}$. Dann setzt man

$ \mbox{$\displaystyle
\int_a^b f(t)\, {\mbox{d}}t \; :=\; \int_a^b u(t)\, {\mbox{d}}t + \mathrm{i}\cdot\int_a^b v(t)\, {\mbox{d}}t\; .
$}$

Elementare Regeln.

Sei $ \mbox{$I\subseteq \mathbb{R}$}$ ein Intervall, seien $ \mbox{$a,\, b,\, c\,\in\, I$}$, seien $ \mbox{$f,\,g\, :\, I\longrightarrow \mathbb{R}$}$ integrierbar auf Teilmengen der Form $ \mbox{$[s,t]\subseteq I$}$ (erfüllt, falls stetig auf $ \mbox{$I$}$), und seien $ \mbox{$\lambda,\,\mu\,\in\,\mathbb{R}$}$. Es gelten folgende Regeln.

$ \mbox{$\displaystyle
\begin{array}{rcl}
\int_a^b (\lambda f(t) + \mu g(t))\, ...
...\int_a^b f(t)\, {\mbox{d}}t + \int_b^c f(t)\, {\mbox{d}}t \;.\\
\end{array}$}$
Ferner, ist $ \mbox{$f(x) \leq g(x)$}$ für alle $ \mbox{$x\in I$}$, dann ist auch
$ \mbox{$\displaystyle
\int_a^b f(t)\, {\mbox{d}}t \leq \int_a^b g(t)\, {\mbox{d}}t
$}$
für $ \mbox{$a,\, b\,\in\, I$}$ mit $ \mbox{$a \leq b$}$.