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Weitere Eigenschaften von Wahrscheinlichkeitsmaßen

Die Subadditivität von Wahrscheinlichkeitsmaßen, die in Teilaussage 4 von Theorem 2.1 betrachtet wurde, gilt nicht nur für zwei bzw. endlich viele Ereignisse, sondern auch für Folgen von unendlich vielen Ereignissen.

Theorem 2.2   Sei $ (\Omega ,\mathcal{F},P)$ ein Wahrscheinlichkeitsraum, und $ A_{1},A_{2},\ldots \in \mathcal{F}$ seien beliebige Ereignisse. Dann gilt

$\displaystyle P(\bigcup\limits ^\infty_{i=1}A_{i}) \leq \sum\limits ^\infty_{i=1}P(A_{i})\,.$ (7)

Beweis$ \;$ Anstelle der Folge $ \{A_n\}$ betrachten wir die Folge $ \{A_n^\prime\}$ von paarweise disjunkten Mengen, wobei

$\displaystyle A_n^\prime=A_n\setminus \bigcup\limits_{i=1}^{n-1} A_i\,.
$

Dann gilt

$\displaystyle P\bigl(\bigcup\limits_{i=1}^\infty A_i\bigr) =
P\bigl(\bigcup\lim...
...
=\sum\limits_{i=1}^\infty P(A_n^\prime)
\le\sum\limits_{i=1}^\infty P(A_n)\,, $

wobei sich die letzte Ungleichung aus der Monotonie von Wahrscheinlichkeitsmaßen ergibt.

$ \Box$


Das folgende Korollar wird in der Literatur das Lemma von Borel-Cantelli genannt.

Korollar 2.3   Sei $ (\Omega ,\mathcal{F},P)$ ein Wahrscheinlichkeitsraum und $ A_{1},A_{2},\ldots \in \mathcal{F}$ eine beliebige Folge von Ereignissen. Dann gilt

$\displaystyle P(\limsup\nolimits_n A_n)=0\,,$ (8)

falls

$\displaystyle \sum\limits_{i=1}^\infty P(A_i)<\infty\,.$ (9)

Beweis$ \;$ Aus Korollar 2.2 und Theorem 2.2 ergibt sich, dass
$\displaystyle P(\limsup\nolimits_n A_n)$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \lim\limits_{k\to\infty}
P\bigl(\bigcup\limits_{i=k}^\infty
A_i\bigr)$  
  $\displaystyle \le$ $\displaystyle \lim\limits_{k\to\infty} \sum\limits_{i=k}^\infty P(A_i)=0\,,$  

wobei sich die letzte Gleichheit aus der Summierbarkeitsbedingung (9) ergibt.

$ \Box$


Wir diskutieren nun den Zusammenhang zwischen der $ \sigma$-Additivität und gewissen Stetigkeitseigenschaften von Mengenfunktionen.

Theorem 2.3   Sei $ (\Omega ,\mathcal{F})$ ein beliebiger Messraum, und sei $ P:\mathcal{F}\to[0,1]$ eine beliebige additive Mengenfunktion, d.h. $ P( \bigcup\limits _{i=1}^n A_{i})
=\sum\limits _{i=1}^n P(A_{i})$ gelte für jede endliche Folge von paarweise disjunkten Mengen $ A_{1},\ldots, A_n
\in \mathcal{F}$. Außerdem gelte $ P(\Omega )=1$. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:
1.
$ P$ ist $ \sigma$-additiv (und damit ein Wahrscheinlichkeitsmaß),
2.
$ P(A_n)\uparrow P(A)$, falls $ A_n\uparrow A\in\mathcal{F}$,
3.
$ P(A_n)\downarrow P(A)$, falls $ A_n\downarrow A\in\mathcal{F}$,
4.
$ P(A_n)\downarrow 0$, falls $ A_n\downarrow\emptyset$.

Beweis
$ \;$ Wir führen einen zyklischen Beweis, d.h., wir zeigen, dass die folgenden Implikationen richtig sind:

$\displaystyle \mbox{1.
$\Longrightarrow$\ 2. $\Longrightarrow$\ 3. $\Longrightarrow$\ 4.
$\Longrightarrow$\ 1.}$

1. $ \Longrightarrow$ 2.
  $ P$ sei $ \sigma$-additiv, und es gelte $ A_n\uparrow A\in\mathcal{F}$. Die Behauptung ergibt sich dann genauso wie im Beweis von Korollar 2.2.
2. $ \Longrightarrow$ 3.
  Es gelte $ A_n\downarrow A\in\mathcal{F}$. Hieraus folgt, dass $ A^c_n\uparrow A^c\in\mathcal{F}$. Also ergibt sich aus Aussage 2, dass

$\displaystyle P(A_n)=1-P(A^c_n)\downarrow 1-P(A^c)=P(A)\,.
$

3. $ \Longrightarrow$ 4.
  Diese Implikation gilt offensichtlich, weil die Teilaussage 4 ein Spezialfall von Teilaussage 3 ist.
4. $ \Longrightarrow$ 1.
  Seien $ A_1,A_2,\ldots\in\mathcal{F}$ paarweise disjunkte Mengen. Dann gilt

$\displaystyle \bigcup_{i=n+1}^\infty A_i\downarrow\emptyset$   $\displaystyle \mbox{für $n\to\infty$.}$

Also ist
$\displaystyle P\bigl(\bigcup\limits_{i=1}^\infty A_i\bigr)$ $\displaystyle =$ $\displaystyle P\bigl(\bigcup\limits_{i=1}^n
A_i\;\cup\bigcup\limits_{i=n+1}^\infty
A_i\bigr)$  
  $\displaystyle =$ $\displaystyle \sum\limits_{i=1}^n P(A_i)+P\bigl(\bigcup\limits_{i=n+1}^\infty
A_i\bigr)$  
  $\displaystyle \to$ $\displaystyle \sum\limits_{i=1}^\infty P(A_i)\,,$  

wobei sich die zweite Gleichheit aus der endlichen Additivität von $ P$ ergibt.

$ \Box$
Für Wahrscheinlichkeitsmaße, d.h. für $ \sigma$-additive Mengenfunktionen lassen sich die in Theorem 2.3 betrachteten drei Stetigkeitseigenschaften wie folgt zu einer Stetigkeitseigenschaft zusammenfassen.

Theorem 2.4   Sei $ (\Omega ,\mathcal{F},P)$ ein Wahrscheinlichkeitsraum, und $ A, A_{1}, A_{2},\ldots \in \mathcal{F}$ seien beliebige Ereignisse. Dann gilt

$\displaystyle P(A_n)\to P(A)\,,$   $\displaystyle \mbox{falls $A_n\to A$.}$ (10)

Beweis$ \;$ Die Behauptung folgt unmittelbar aus dem Ergebnis von Übungsaufgabe 2.1, denn in dieser Übungsaufgabe wird gezeigt, dass

$\displaystyle P(\liminf_n A_n)\le\liminf\limits_{n\to\infty} P(A_n)$

und

$\displaystyle \limsup\limits_{n\to\infty} P(A_n)\le P(\limsup_n A_n)\,.$

Weil $ A=\liminf_n A_n=\limsup_n A_n$, ergibt sich hieraus, dass

$\displaystyle \limsup\limits_{n\to\infty} P(A_n)\le P(A)\le
\liminf\limits_{n\to\infty} P(A_n),
$

und damit, dass $ P(A)=\lim_n P(A_n)$.

$ \Box$


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Ursa Pantle 2004-05-10