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Einfache Urnenmodelle

Gegeben sei eine Urne mit $ N$ Elementen, die mit den Zahlen $ 1,2,\ldots ,N$ numeriert werden. Aus dieser Urne werden $ n$ Elemente ,,zufällig'' entnommen. Ergebnis des gesamten Losvorganges ist ein $ n$-Tupel $ (i_{1},\ldots ,i_{n})$. Dabei gibt $ i_{j}$ die Nummer des Elementes an, das bei der $ j$-ten Ziehung entnommen wird. Wir betrachten vier verschiedene Arten von Losvorgängen, die sich durch die folgenden Auswahlarten ergeben:

Sei $ D=\{1,2,\ldots ,N\}$ die Menge der Elemente, die sich zu Beginn des Zufallsexperimentes in der Urne befinden. Die Grundmengen $ \Omega_I$ - $ \Omega_{IV}$, die die vier verschiedenen Arten von Losvorgängen modellieren, haben die folgende Gestalt:
  1. Auswahl mit Reihenfolge und mit Zurücklegen
    $ \Omega _{I}=\left\{ {\omega }=(\omega _{1},\ldots ,\omega _{n}),\omega _{i}\in D\textrm{ für }i=1,\ldots ,n\right\} =D^{n}$
    $ \left\vert \Omega _{I}\right\vert =N^{n}$
  2. Auswahl mit Reihenfolge und ohne Zurücklegen
    $ \Omega _{II}=\left\{ {\omega }=(\omega _{1},\ldots ,\omega _{n}),\omega _{i}\in D,\omega _{i}\neq \omega _{j}\textrm{ für }i\neq j\right\}$
    Stufe 1: $ N$ Möglichkeiten
    Stufe 2: $ N-1$ Möglichkeiten
    $ \vdots$
    Stufe $ n$: $ (N-n+1)$ Möglichkeiten
    Also: $ \left\vert \Omega _{II}\right\vert =N\cdot (N-1)\cdot \ldots \cdot (N-n+1)=\frac{N!}{(N-n)!}$
    Wichtiger Spezialfall: $ n=N$ (Permutationen) $ \Rightarrow \left\vert \Omega _{II}\right\vert =N!$
  3. Auswahl ohne Reihenfolge und ohne Zurücklegen
    $ \Omega _{III}=\left\{ {\omega }=
(\omega _{1},\ldots ,\omega _{n}),\omega _{i}\in D,\omega _1<\omega _2<
\ldots<\omega_n\right\}$
    Also: $ \left\vert \Omega _{III}\right\vert =
\frac{N!}{(N-n)!\cdot n!}={N\choose n}$ (Binomialkoeffizient)
  4. Auswahl ohne Reihenfolge und mit Zurücklegen
    $ \Omega _{IV}=\left\{ {\omega }=
(\omega _{1},\ldots ,\omega _{n}),\omega _{i}\in D,
\omega_1\le\omega_2\le\ldots\le\omega_n\right\}$
    $ \left\vert \Omega _{IV}\right\vert ={N+n-1\choose n}
=\frac{(N+n-1)!}{n!\cdot (N-1)!}$


Zusammenfassung

Auswahl vom Umfang $ n$ aus $ \{1,2,\ldots ,N\}$ mit Zurücklegen ohne Zurücklegen  
mit Reihenfolge $ \left\vert \Omega _{I}\right\vert =N^{n}$ $ \left\vert \Omega _{II}\right\vert =\frac{N!}{(N-n)!}$ unterscheidbare Marken
ohne Reihenfolge $ \left\vert \Omega _{IV}\right\vert ={N+n-1\choose n}$ $ \left\vert \Omega _{III}\right\vert ={N\choose n}$ nicht unterscheidbare Marken
  mit Mehrfachbelegung ohne Mehrfachbelegung Verteilung von $ n$ Marken auf $ N$ Zellen



Beispiele
 
  1. Von den 16 Mannschaften, die am UEFA-Cup eines bestimmten Jahrganges teilnehmen, seien 2 Mannschaften aus Deutschland. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden deutschen Mannschaften in der ersten Runde gegeneinander spielen?
    Lösung: $ N=n=16$ (mit Reihenfolge und ohne Zurücklegen) $ 8\cdot 2\cdot 14!/16!=1/15$.
  2. Angenommen: 4 identische Würfel werden gleichzeitig geworfen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die vier Augenzahlen voneinander verschieden sind?
    Erste Lösungsidee: Auswahl ohne Reihenfolge und mit Zurücklegen. $ \Rightarrow \left\vert \Omega _{IV}\right\vert
={6+4-1\choose 4}=126$.
    Problem: keine Chancengleichheit der Elementarereignisse, denn $ \{1,1,1,1\}$ ist (4!)-mal weniger wahrscheinlich als $ \{1,2,3,4\}$ (wegen der Permutationen).
    besser: Wir nehmen an, dass wir die 4 Würfel nacheinander werfen und dabei auf die Reihenfolge der erzielten Augenzahlen achten.
    $ \Rightarrow$ Laplacescher Wahrscheinlichkeitsraum.
    $ \left\vert \Omega _{I}\right\vert =6^{4}$ (Anzahl der möglichen Fälle), $ A\subset \Omega _{I}$, $ A=\{\textrm{Auswahlen},\textrm{bestehend aus }4$ unterschiedlichen Augenzahlen$ \}$, $ \left\vert A\right\vert =6\cdot 5\cdot 4\cdot 3$ (Anzahl der günstigen Fälle)

    $\displaystyle P(A)=\frac{\left\vert A\right\vert }{\left\vert \Omega _{I}\right\vert }=\frac{6\cdot 5\cdot 4\cdot 3}{6^{4}}=\frac{5}{18}$

  3. Zahlenlotto: $ n=6$ aus $ N=49$ (ohne Reihenfolge und ohne Zurücklegen)
    Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, mindestens 4 Richtige zu haben?
    Lösung: $ D=\{1,\ldots ,49\}$, $ \left\vert \Omega _{III}\right\vert
= {49\choose 6},\, \Omega _{III}=\left\{ {...
... ,\omega _{6}\right\} ,\omega _{i}\in D,
\omega _{1}<\ldots<\omega _{6}\right\}$
    $ A_{i}=$ { genau $ i$ Richtige }, $ P(A_{4}\cup A_{5}\cup A_{6})=?$
    Weil $ A_{i}\cap A_{j}=\emptyset
\forall i\neq j,$ gilt $ P(A_{4}\cup A_{5}\cup A_{6})
=P(A_{4})+P(A_{5})+P(A_{6})$.
    Dabei ist $ \left\vert A_{4}\right\vert ={6\choose 4} {43\choose
2},\;\left\vert A_{5}\rig...
...ose 5}{43\choose 1},\;
\left\vert A_{6}\right\vert ={6\choose 6}{43\choose 0}=1$

    $\displaystyle \Rightarrow\qquad P(A)=\frac{{6\choose 4}{43\choose 2}
+{6\choose 5}{43\choose 1}+1}{{49\choose 6}}=0.000987$

    Beachte $ \;$ Dieses Beispiel ist ein Spezialfall der hypergeometrischen Verteilung.
Hypergeometrische Verteilung
$ \;$ Betrachten Urne mit $ N$ Elementen, wobei zwei Typen von Elementen vorhanden seien ($ S$ schwarze Kugeln, $ R$ rote Kugeln); $ N=S+R$. Sei $ n=$Anzahl der insgesamt entnommenen Kugeln; $ s=$Anzahl der entnommenen schwarzen Kugeln; $ P(s,n;S,N)=$Wahrscheinlichkeit, dass $ s$ schwarze Kugeln bei der Entnahme von insgesamt $ n$ Kugeln gezogen werden, falls von den $ N$ vorhandenen Kugeln $ S$ schwarz sind.

$\displaystyle \Rightarrow\qquad P(s,n;S,N)=\frac{{S\choose s}{N-S\choose
n-s}}{{N\choose n}}$


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Ursa Pantle 2004-05-10