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Ereignissysteme

Aus gegebenen Ereignissen $ A_1,A_2,\ldots$ kann man durch deren ,,Verknüpfung'' weitere Ereignisse bilden. Dies wird durch die folgenden Mengenoperationen modelliert.

Definition
 
  1. Vereinigungsmenge$ \;$ $ A_{1}\cup A_{2}$: Menge aller Elemente, die zu $ A_{1}$ oder $ A_{2}$ gehören.
    $ \bigcup\limits ^{\infty }_{i=1}A_{i}=A_{1}\cup A_{2}\cup \ldots$: Menge aller Elemente, die zu mindestens einer der Mengen $ A_{i}$ gehören.
  2. Schnittmenge $ A_{1}\cap A_{2}$: Menge aller Elemente, die zu $ A_{1}$ und $ A_{2}$ gehören.
    $ \bigcap\limits ^{\infty }_{i=1}A_{i}=A_{1}\cap A_{2}\cap \ldots$: Menge aller Elemente, die zu jeder der Mengen $ A_{i}$ gehören.
  3. Differenzmenge $ A_{1}\setminus A_{2}$: Menge aller Elemente von $ A_{1}$, die nicht zu $ A_{2}$ gehören.
    Spezialfall: $ \; A^{c}=\Omega \setminus A$ ( Komplement)
  4. Symmetrische Mengendifferenz $ A_{1}\bigtriangleup
A_{2}$: Menge aller Elemente, die zu $ A_{1}$ oder $ A_{2}$, jedoch nicht zu beiden gehören.
Beispiel
$ \;$ Sei $ \Omega =\{a,b,c,d\},A_{1}=\{a,b,c\},A_{2}=\{b,d\}$.
Dann gilt $ A_{1}\cup A_{2}=\{a,b,c,d\};\; A_{1}\cap A_{2}=\{b\};\; A_{1}\setminus
A_{2}=\{a,c\};\; A_1^{c}=\{d\}$; $ A_{1}\bigtriangleup
A_{2}=\{a,c,d\}$.
Beachte
 

Lemma 2.1   Für beliebige Mengen $ A_1,A_2\subset \Omega$ gilt:

$\displaystyle A_1\setminus A_2 =A_1\cap A_2^{c}\,,
$

$\displaystyle A_1\bigtriangleup A_2=(A_1\cup A_2)
\setminus (A_1\cap A_2)=(A_1\setminus A_2)\cup(A_2\setminus A_1)\,.
$

Beweis
$ \;$ klar

Definition
$ \;$ Die Mengen $ A_{1},A_{2},\ldots \subset \Omega$ heißen paarweise disjunkt, falls $ A_{i}\cap A_{j}=\emptyset$ für beliebige $ i\neq j$.
Beachte
$ \;$ Jede beliebige Folge von Mengen $ A_{1},A_{2},\ldots \subset \Omega$ kann man in eine Folge von paarweise disjunkten Mengen $ A_{1}',A_{2}',\ldots$ überführen: Sei $ A_{1}'=A_{1}, A_{2}'=A_{2}\setminus A_{1}',
A_{3}'=A_{3}\setminus (A_{1}'\cup A_{2}'),\ldots$
Dann gilt: $ A_i'\cap A_j'=\emptyset$ für $ i\not= j$, und $ \bigcup\limits ^{\infty }_{n=1}A_{n}=\bigcup\limits _{n=1}^{\infty }A_{n}'$
Weitere Eigenschaften
$ \;$ Sei $ A,B,C\subset \Omega$. Dann gelten


Es ist oft nicht zweckmäßig, alle möglichen Teilmengen von $ \Omega$ in die Modellierung einzubeziehen, sondern man betrachtet nur die Familie derjenigen Teilmengen von $ \Omega$, deren Wahrscheinlichkeiten tatsächlich von Interesse sind. Diese Mengenfamilie soll jedoch abgeschlossen sein bezüglich der Operationen $ \cup,\cap,\setminus$, was durch die folgende Begriffsbildung erreicht wird.

Definition
$ \;$ Eine nichtleere Familie $ \mathcal{F}$ von Teilmengen von $ \Omega$ heißt Algebra, falls
(A1)
$ A\in \mathcal{F}\Rightarrow A^{c}\in \mathcal{F}$
(A2)
$ A_{1},A_{2}\in \mathcal{F}\Rightarrow A_{1}\cup A_{2}\in \mathcal{F}$
Beispiel
$ \;$ $ \Omega =\{a,b,c,d\},\;\mathcal{F}_1=\left\{
\emptyset ,\{a\},\{b,c,d\},\Omega \right\}$ ist eine Algebra, $ \mathcal{F}_2=\left\{ \emptyset,\{a\},\{b,c\},\Omega \right\}$ ist dagegen keine Algebra.

Lemma 2.2   Sei $ \mathcal{F}$ eine Algebra und $ A_{1},A_{2},\ldots ,A_{n}\in \mathcal{F}.$ Dann gilt
1.
$ \emptyset ,\Omega \in \mathcal{F}$
2.
$ A_{1}\cap A_{2}\in \mathcal{F}$
3.
$ A_{1}\setminus A_{2}\in \mathcal{F}$
4.
$ \bigcup\limits _{i=1}^{n}A_{i}\in
\mathcal{F},\bigcap\limits_{i=1}^{n}A_{i}\in \mathcal{F}$

Beweis
 
  1. Weil $ \mathcal{F}$ nicht leer ist, gibt es ein $ A\in \mathcal{F},A\subset \Omega$. Also gilt $ A^{c}\in \mathcal{F}$ wegen (A1) bzw.
    $ \underbrace{A\cup A^{c}}_{=\Omega }\in\mathcal{F}$ wegen (A2) bzw. $ \underbrace{\Omega ^{c}}_{=\emptyset }\in
\mathcal{F}$ wegen (A1)
  2. $ A_{1}\cap A_{2}=\left( A^{c}_{1}\cup A^{c}_{2}\right) ^{c}\in \mathcal{F}$
  3. $ A_{1}\setminus A_{2}=A_{1}\cap A^{c}_{2}=(A^{c}_{1}\cup A_{2})^{c}\in \mathcal{F}$
  4. Induktion
Um Grenzwerte bilden zu können, ist es erforderlich, dass das Mengensystem $ \mathcal{F}$ nicht nur abgeschlossen ist bezüglich Vereinigung bzw. Durchschnitt von endlich vielen Mengen, sondern auch bezüglich Vereinigung bzw. Durchschnitt von abzählbar unendlich vielen Mengen. Dies wird durch die Hinzunahme der folgenden Bedingung erreicht.

Definition
$ \;$ Eine Algebra $ \mathcal{F}$ heißt $ \sigma$-Algebra, falls zusätzlich
(A3)
$ \;$ $ A_{1},A_{2},\ldots \in \mathcal{F}\,
\Rightarrow \bigcup\limits _{i=1}^{\infty }A_{i}\in \mathcal{F}$ gilt.

Beachte
 
Definition
$ \;$ Seien $ A,A_1,A_2,\ldots\subset\Omega$ beliebige Teilmengen von $ \Omega$. Dann heißt die Menge

$\displaystyle \limsup\limits_n A_n\;:=\;\bigcap\limits_{k=1}^\infty\bigcup\limits_{n=k}^\infty A_n$ (1)

der Limes Superior der Folge $ \{A_n\}$, und

$\displaystyle \liminf\limits_n A_n\;:=\;\bigcup\limits_{k=1}^\infty\bigcap\limits_{n=k}^\infty A_n$ (2)

heißt der Limes Inferior der Folge $ \{A_n\}$. Außerdem sagt man, dass die Folge $ \{A_n\}$ gegen die Menge $ A$ konvergiert, falls

$\displaystyle \liminf\limits_n A_n=\limsup\limits_n A_n\qquad (:=A)\,.$ (3)

Schreibweise
$ \;$ Falls die Folge $ \{A_n\}$ gegen die Menge $ A$ konvergiert, d.h., falls (3) gilt, dann schreiben wir $ A=\lim_n A_n$ bzw. einfach $ A_n\to A$.

Lemma 2.3   Seien $ A,A_1,A_2,\ldots\subset\Omega$ beliebige Teilmengen von $ \Omega$.
1.
Falls $ A_1\subset A_2\subset\ldots$, dann gilt $ A_n\to A:=\bigcup_{n=1}^\infty A_n$. (Schreibweise: $ A_n\uparrow A$)
2.
Falls $ A_1\supset A_2\supset\ldots$, dann gilt $ A_n\to A:=\bigcap_{n=1}^\infty A_n$. (Schreibweise: $ A_n\downarrow A$)

Beweis$ \;$ Wir zeigen nur die erste Teilaussage. Der Beweis der zweiten Teilaussage ist analog. Sei $ A=\bigcup_{n=1}^\infty
A_n$. Für jedes $ k$ gilt dann $ \bigcup_{n=k}^\infty A_n=A$. Also ist $ \limsup_n A_n=A$. Andererseits gilt $ \bigcap_{n=k}^\infty A_n=A_k$, d.h., $ \liminf_n
A_n=\bigcup\nolimits_{k=1}^\infty A_k=A$.

$ \Box$


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Ursa Pantle 2004-05-10