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Zufallsvariable

Betrachten einen beliebigen Wahrscheinlichkeitsraum $ (\Omega ,\mathcal{F},P)$ und ein beliebiges Element $ \omega \in \Omega$, wobei wir so wie bisher $ \{\omega \}$ als Elementarereignis bzw. Versuchsergebnis interpretieren.
Beachte
$ \;$ Häufig interessiert nicht $ \omega$ selbst, sondern eine (quantitative oder qualitative) Kennzahl $ X(\omega)$ von $ \omega$, d.h., wir betrachten die Abbildung $ \omega \rightarrow X(\omega )$.
Beispiele
 
  1. $ \Omega=$ Menge von Eintragungen in einem Telefonbuch
    $ \omega =$ Familienname, $ X(\omega )=$ Anzahl der Buchstaben von $ \omega$
    oder
    $ \omega =$ Telefonnummer, $ X(\omega )=$ Anzahl der Ziffer ,,1'' in $ \omega$
  2. zweimaliges Würfeln $ \Omega =\left\{ {\omega }=(\omega _{1};\omega _{2}),\omega _{i}\in \{1,\ldots ,6\}\right\}$
    Augensumme $ {\omega }\rightarrow X({\omega })=\omega _{1}+\omega _{2}$
    Sei $ A=\left\{ {\omega }:X({\omega })=10\right\}
=\left\{ (6,4),(5,5),(4,6)\right\}$ bzw. allgemeiner $ A=\{\omega:\; X(\omega)=k\}$, wobei $ k\in\{2,\ldots,12\}$.
    Gesucht ist die Wahrscheinlichkeit $ P(A)$. Hierfür ist es erforderlich, daß $ A\in\mathcal{F}$.
    Allgemein muß also $ \{\omega:\omega\in\Omega,\;
X(\omega)=k\}\in\mathcal{F}$ für jedes $ k=2,\ldots,12$ gelten.
    Bei diesem Beispiel ist das gleichbedeutend mit $ \left\{ \omega :\omega \in \Omega ,X(\omega )\leq x\right\}
\in \mathcal{F}$ für jedes $ x\in\mathbb{R}$.


Das führt zu der folgenden Begriffsbildung.

Definition 3.1
$ \;$ Sei $ (\Omega ,\mathcal{F},P)$ ein beliebiger Wahrscheinlichkeitsraum. Die Abbildung $ X:\Omega \rightarrow \mathbb{R}$ heißt Zufallsvariable (bzw. Zufallsgröße), falls

$\displaystyle \{\omega :\omega\in\Omega ,X(\omega )\leq x\}\in\mathcal{F} \qquad\forall x\in \mathbb{R}\,.$ (1)

Beachte
 
  1. Die Regularitätsbedingung (1) wird Meßbarkeit der Abbildung $ X$ bezüglich der $ \sigma$-Algebra $ \mathcal{F}$ genannt.
  2. In vielen Fällen interessiert nicht nur die Wahrscheinlichkeit, daß die Werte $ X(\omega)$ der Zufallsvariable $ X$ einen vorgegebenen Schwellenwert $ x$ nicht überschreiten, d.h., daß $ X$ Werte im Intervall $ B=(-\infty,x]$ annimmt.
  3. Oftmals interessiert auch die Wahrscheinlichkeit, daß $ X$ Werte in einer allgemeineren Teilmenge $ B\subset\mathbb{R}$ annimmt, wobei $ B$ beispielsweise die Vereinigung von mehreren disjunkten Intervallen sein kann.
  4. Deshalb wird nicht nur im Grundraum $ \Omega$, sondern auch im Bildraum $ \mathbb{R}$ ein System von Teilmengen von $ \mathbb{R}$ betrachtet, das abgeschlossen bezüglich der Mengenoperationen $ \cup,\cap,\setminus$ ist, d.h. eine $ \sigma$-Algebra ist.
  5. Dabei wird oft die sogenannte Borel-$ \sigma$-Algebra $ \mathcal{B}(\mathbb{R})$ betrachtet, die definiert ist als die kleinste $ \sigma$-Algebra von Teilmengen von $ \mathbb{R}$, die alle offenen Intervalle $ (a,b)$ enthält; $ -\infty<a<b<\infty$. D.h.

    $\displaystyle \mathcal{B}(\mathbb{R})=\sigma \Bigl( \underbrace{\{
(a,b),\,-\infty < a < b < \infty \}
}_{\textrm{Erzeugersystem}}\Bigr)$

  6. Insbesondere enthält $ \mathcal{B}(\mathbb{R})$ auch alle halboffenen bzw. abgeschlossenen Intervalle, denn es gilt

    $\displaystyle (a,b]=\bigcap_{n=1}^\infty(a,b+n^{-1})\in\mathcal{B}(\mathbb{R}),...
...,\quad
[a,b]=\bigcap_{n=1}^\infty(a-n^{-1},b+n^{-1})\in\mathcal{B}(\mathbb{R}).$

  7. Für jede abzählbare Teilmenge $ C=\{x_1,x_2,\dots\}$ von $ \mathbb{R}$ gilt $ C\in\mathcal{B}(\mathbb{R})$, denn für jedes $ x\in\mathbb{R}$ gilt $ \{x\}=
\bigcap_{n=1}^\infty(x-n^{-1},x+n^{-1})\in\mathcal{B}(\mathbb{R})$ und damit auch $ C=\bigcup_{i=1}^\infty\{x_i\}\in\mathcal{B}(\mathbb{R})$.


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Roland Maier 2001-08-20