Pearson-Teststatistik

• In diesem Abschnitt diskutieren wir zunächst den $\chi ^2$-Anpassungstest von Pearson. Dabei werden nicht die ursprünglichen Hypothesen

  $$H_0:P=P_0 \qquad H_1:P\not=P_0$$ (4)

  
  
  verifiziert, denn wir ,,vergröbern'' das Modell, d.h., wir zerlegen den Wertebereich der Zufallsvariablen $X_1,\ldots,X_n$ in $r$ Klassen $(a_1,b_1],\ldots,(a_r,b_r]$ mit
  $$-\infty\le a_1<b_1=a_2<b_2=\ldots=a_r<b_r\le\infty\,,$$
  wobei $r$ eine (hinreichend große) natürliche Zahl ist.
• Anstelle des Zufallsvektors $(X_1,\ldots,X_n)$ betrachten wir den Zufallsvektor $(Z_1,\ldots,Z_r)$ der ,,Klassenstärken'', wobei

  $$Z_j=\char93 \{i: \,1\le i\le n,\, a_j<X_i\le b_j\}\,,\qquad\forall\, j=1,\ldots,r\,.$$ (5)

  
  

Wir benötigen den folgenden Hilfssatz.

Lemma 5.1    

• Der in $(\ref{yps.var})$ eingeführte Zufallsvektor $(Z_1,\ldots,Z_r)$ ist multinomialverteilt mit den Parametern $n\in\mathbb{N}$ und ${\mathbf{p}}=(p_1,\ldots,p_{r-1})^\top\in[0,1]^{r-1}$, wobei $p_j=\mathbb{P}(a_j<X_1\le b_j))$ für jedes $j=1,\ldots,r-1$.
• Mit anderen Worten: Für beliebige Zahlen $k_1,\ldots,k_r\in\mathbb{N}$ mit $k_1+\ldots+k_r=n$ gilt

  $$\mathbb{P}(Z_1=k_1,\ldots,Z_r=k_r)=\frac{n!}{k_1!\cdot\ldots\cdot k_r!}\; p_1^{k_1}\ldots p_r^{k_r}\,,$$ (6)

  
  
  wobei $p_r=1-(p_1+\ldots+p_{r-1})$.

Beweis

 

• Weil die Zufallsvariablen $X_1,\ldots,X_n$ unabhängig und identisch verteilt sind, gilt

  $$\mathbb{P}\bigl(X_1\in(a_{i_1},b_{i_1}],\ldots,X_n\in(a_{i_n},b_{... ...d\limits _{j=1}^n \mathbb{P}((a_{i_j}<X_1\le b_{i_j})=p_1^{k_1}\ldots p_r^{k_r}$$ (7)

  
  
  für jede Folge von Intervallen $(a_{i_1},b_{i_1}],\ldots,(a_{i_n},b_{i_n}]$, die $k_1$-mal das Intervall $(a_1,b_1],\ldots,$ $k_r$-mal das Intervall $(a_r,b_r]$ enthält.
• Die Behauptung (6) ergibt sich nun durch Summation der in (7) betrachteten Wahrscheinlichkeiten über sämtliche Permutationen von Folgen dieser Art.
  
  $\Box$

Beachte

 

• Die Multinomialverteilung mit den Parametern $n\in\mathbb{N}$ und ${\mathbf{p}}=(p_1,\ldots,p_{r-1})^\top\in[0,1]^{r-1}$ bezeichnen wir mit M $_{r-1}(n,{\mathbf{p}})$.
• Zur Erinnerung: Für den Parameter(-vektor) ${\mathbf{p}}=(p_1,\ldots,p_{r-1})^\top\in[0,1]^{r-1}$ der Multinomialverteilung M $_{r-1}(n,{\mathbf{p}})$ gilt
  $$0\le p_r=1-\sum\limits _{i=1}^{r-1}p_i\le 1\,,$$
  d.h., die Wahrscheinlichkeit $p_r$ wird durch ${\mathbf{p}}=(p_1,\ldots,p_{r-1})^\top$ eindeutig bestimmt.
• Mit anderen Worten: $p_r$ ist keine unabhängig von $p$ wählbare Parameterkomponente.
• Man kann sich leicht überlegen, daß für $r=2$ die Multinomialverteilung M$_1(n,p_1)$ mit der Binomialverteilung Bin$(n,p_1)$ übereinstimmt.

Anstelle das ursprüngliche Testproblem (4) zu untersuchen, prüfen wir

• die Hypothese $H_0:{\mathbf{p}}={\mathbf{p}}_0$ (gegen die Alternative $H_1:{\mathbf{p}}\not={\mathbf{p}}_0$) für einen vorgegebenen (hypothetischen) Parametervektor ${\mathbf{p}}_0=(p_{0,1},\ldots,p_{0,r-1})^\top\in(0,1)^{r-1}$ mit $\sum\limits _{i=1}^{r-1}p_{0,i}< 1$.
• Wir zerlegen also die Familie $\Delta$ der insgesamt in Betracht gezogenen Verteilungen der Stichprobenvariablen $X_1,\ldots,X_n$ in die Teilmengen
  $$\Delta_0=\{P:\;\mathbb{P}(a_j< X_1\le b_j)=p_{0,j}\;\forall j=1,\ldots,r-1\}$$   bzw.$$\qquad \Delta_1=\Delta\setminus\Delta_0\,.$$

• Wir betrachten die Testgröße $T_n:\mathbb{R}^n\to[0,\infty)$ mit

  $$T_n(x_1,\ldots,x_n)=\sum\limits _{j=1}^r\;\frac{\bigl(Z_j(x_1,\ldots,x_n)-np_{0,j}\bigr)^2}{np_{0,j}}\;,$$ (8)

  
  
  wobei $Z_j(x_1,\ldots,x_n)$ die Anzahl derjenigen Stichprobenwerte $x_1,\ldots,x_n$ bezeichnet, die im Intervall $(a_j,b_j]$ liegen.
• Unter $H_0:{\mathbf{p}}={\mathbf{p}}_0$ gilt ${\mathbb{E}\,}Z_j(X_1,\ldots,X_n)=np_{0,j}$ für jedes $j\in\{1,\ldots,r\}$.
• Es ist deshalb sinnvoll, die Hypothese $H_0:{\mathbf{p}}={\mathbf{p}}_0$ abzulehnen, falls $T_n(x_1,\ldots,x_n)$ signifikant größer als 0 ist.
• Um dies entscheiden zu können, benötigen wir Kenntnisse über die Verteilung der in (8) eingeführten Testgröße $T_n$.