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Tschebyschewsche Ungleichung

In diesem Abschnitt wird die sogenannte Tschebyschewsche Ungleichung diskutiert.

Sie liefert eine obere Schranke für die Wahrscheinlichkeit, daß die Abweichungen $ \vert X(\omega)-{\mathbb{E}\,}X\vert$ der Werte $ X(\omega)$ einer Zufallsvariablen $ X$ von ihrem Erwartungswert $ {\mathbb{E}\,}X$ einen vorgegebenen Schwellenwert $ \varepsilon>0$ überschreiten.

Theorem 4.17
$ \;$ Sei $ X:\Omega\to\mathbb{R}$ eine Zufallsvariable mit $ {\mathbb{E}\,}(X^2)<\infty$. Dann gilt für jedes $ \varepsilon>0$

$\displaystyle P(\vert X-{\mathbb{E}\,}X\vert>\varepsilon)\leq \frac{\text{Var\,}X}{\varepsilon^2}\;.$ (40)

Beweis
 

Korollar 4.18
$ \;$ Sei $ X:\Omega\to\mathbb{R}$ eine Zufallsvariable mit $ {\mathbb{E}\,}(X^2)<\infty$. Dann gilt Var $ X=0$ genau dann, wenn

$\displaystyle P(X={\mathbb{E}\,}X)=1\,.$ (41)

Beweis
 


Beachte
 

Beispiele
 
  1. fehlerbehaftete Messungen 
    • Von einem Meßgerät sei bekannt, daß die Meßergebnisse fehlerbehaftet sind.
    • Die $ n$-te Messung einer (unbekannten) Größe $ \mu\in\mathbb{R}$ liefere den Wert $ \mu+X_n(\omega)$ für $ \omega \in \Omega$.
    • Die Meßfehler $ X_1,X_2,\ldots$ seien unabhängige und identisch verteilte Zufallsvariable.
    • Über die Verteilung von $ X_n$ sei lediglich bekannt, daß

      $\displaystyle {\mathbb{E}\,}X_n=0$   und   Var $\displaystyle X_n= 1\,.$ (42)

    • Es soll nun die Frage diskutiert werden, wieviele Messungen erforderlich sind, um mit Hilfe der Tschebyschewschen Ungleichung (40) schlußfolgern zu können, daß das arithmetische Mittel

      $\displaystyle Y_n=\frac{1}{n}\sum\limits _{i=1}^n(\mu+X_i)
$

      der zufälligen Meßwerte $ \mu+X_i$ höchstens mit Wahrscheinlichkeit $ 0.1$ um mehr als $ 1 $ vom ,,wahren'', jedoch unbekannten Wert $ \mu$ abweicht.
    • Aus den Korollaren 4.6. und 4.8 ergibt sich, daß

      $\displaystyle {\mathbb{E}\,}Y_n=\mu$   und   Var $\displaystyle Y_n=n^{-1}\,.
$

    • Hieraus und aus der Tschebyschewschen Ungleichung (40) ergibt sich, daß

      $\displaystyle P(\vert Y_n-\mu\vert>1) \le \frac{1}{n}\;.
$

    • Es gilt also $ P(\vert Y_n-\mu\vert>1)\le 0.1$, falls $ n^{-1}\le 0.1$.
    • Aus diesen Überlegungen folgt, daß die obengenannten Genauigkeitsvorgaben erfüllt sind, falls $ n\ge 10$ Messungen durchgeführt werden.


  2. normalverteilte Meßfehler
    • Es wird nun zusätzlich angenommen, daß die Meßfehler normalverteilt sind, d.h. $ X_n\sim$ N$ (0,\, 1)$.
    • Man kann zeigen, daß dann $ Y_n\sim$ N $ (\mu,\, 1/n)$ bzw. $ \sqrt{n}(Y_n-\mu)\sim$ N$ (0,1)$, vgl. das Beispiel in Abschnitt 3.6.2 bzw. den Kommentar nach Theorem 3.22.
    • Es gilt also
      $\displaystyle P(\vert Y_n-\mu\vert>1)$ $\displaystyle =$ $\displaystyle P(\sqrt{n}\,\vert Y_n-\mu\vert>\sqrt{n})$  
        $\displaystyle =$ $\displaystyle P(\sqrt{n}\,(Y_n-\mu)<-\sqrt{n})+
P(\sqrt{n}\,(Y_n-\mu)>\sqrt{n})$  
        $\displaystyle =$ $\displaystyle \Phi(-\sqrt{n})+(1-\Phi(\sqrt{n}))$  
        $\displaystyle =$ $\displaystyle 2 \bigl(1-\Phi(\sqrt{n})\bigr)\,,$  

      wobei

      $\displaystyle \Phi(x)=\int\limits _{-\infty}^x\frac{1}{\sqrt{2\pi}}\exp\Bigl(-\frac{u^2}{2}\Bigr) \, du$ (43)

      die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung ist.
    • Somit ist $ P(\vert Y_n-\mu\vert>1)\le 0.1$ genau dann erfüllt, wenn $ \Phi(\sqrt{n})\ge 0.95$.
    • Dies gilt dann, wenn $ \sqrt{n}\ge 1.645$ bzw. $ n\ge 3$.


Beachte
 


Lemma 4.19
$ \;$ Für jedes $ x\in\mathbb{R}$ gilt

$\displaystyle \Phi(x)=1-\Phi(-x)\,.$ (44)


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Roland Maier 2001-08-20