In vielen Fällen lässt sich die Wahrscheinlichkeit von
interessierenden Ereignissen
nicht in geschlossenen
Formeln ausdrücken.
Manchmal ist es jedoch möglich, Ungleichungen herzuleiten, um
(obere) Schranken, d.h. Abschätzungen für zu erhalten.
In diesem Abschnitt wird die sogenannte Tschebyschew-Ungleichung und, in Verallgemeinerung hiervon, die
Markow-Ungleichung diskutiert.
Sie liefern obere Schranken für die Wahrscheinlichkeit, dass die
Abweichungen
der Werte einer
Zufallsvariablen von ihrem Erwartungswert
einen
vorgegebenen Schwellenwert
überschreiten.
Theorem 4.18
(Tschebyschew-Ungleichung) Sei
eine Zufallsvariable
mit
Dann gilt für jedes
(72)
Beweis
Aus den Linearitäts- bzw. Monotonie-Eigenschaften des
Erwartungswertes (vgl. Theorem 4.4)
ergibt sich, dass für jedes
Beachte
Sei
eine Zufallsvariable
mit
für ein . Dann lässt sich
genauso wie im Beweis von Theorem 4.18
zeigen, dass für jedes
die sogenannte Markow-Ungleichung gilt:
(73)
Die Tschebyschew-Ungleichung (72) bzw. die Markow-Ungleichung
(73) sind nicht an
spezielle Annahmen über die Form der Verteilung der
Zufallsvariablen gebunden.
Der ,,Preis'' hierfür ist, dass (72) und (73) in vielen
Fällen zu relativ groben Abschätzungen führen.
Wenn zusätzliche Annahmen über die Verteilung
von gemacht werden, dann lassen sich
genauere Abschätzungen herleiten bzw. die Wahrscheinlichkeit
lässt sich explizit bestimmen.
Beispiele
fehlerbehaftete Messungen
Von einem Messgerät sei bekannt, dass die
Messergebnisse fehlerbehaftet sind.
Die -te Messung einer (unbekannten) Größe
liefere den Wert
für
.
Die Messfehler
seien unabhängige und
identisch verteilte Zufallsvariablen.
Über die Verteilung von sei lediglich bekannt,
dass
und
(74)
Es soll nun die Frage diskutiert werden,
wieviele Messungen erforderlich sind, um mit Hilfe
der Tschebyschew-Ungleichung (72)
schlussfolgern zu können, dass das arithmetische Mittel
der zufälligen Messwerte höchstens mit
Wahrscheinlichkeit um mehr als vom
,,wahren'', jedoch unbekannten Wert abweicht.
Aus den elementaren Eigenschaften von
Erwartungswert und Varianz der Summe von
unabhängigen Zufallsvariablen ergibt sich (vgl.
Korollar 4.2 bzw. die
Theoreme 4.6 und 4.10), dass
und
Hieraus und aus der Tschebyschew-Ungleichung
(72) ergibt sich, dass
Es gilt also
, falls
.
Aus diesen Überlegungen folgt, dass die obengenannten Genauigkeitsvorgaben erfüllt
sind, falls Messungen durchgeführt werden.
normalverteilte Messfehler
Es wird nun zusätzlich angenommen, dass die Messfehler
normalverteilt sind, d.h. N.
Man kann zeigen, dass dann N
bzw.
N, vgl. das
Beispiel in Abschnitt 3.4.2 bzw. den
Kommentar nach Korollar 3.2.
Es gilt also
wobei
(75)
die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung
ist.
Somit ist
genau dann
erfüllt, wenn
.
Dies gilt dann, wenn
bzw.
.
Beachte
Es gibt keine geschlossene Formel für die Stammfunktion
des Integrals in (75).
Die Werte
der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung
müssen deshalb numerisch berechnet werden.
Für sind die Werte in Tabelle 1 gegeben.
Für erhält man dann aus der folgenden
Symmetrieeigenschaft, die sich unmittelbar aus der
Definitionsgleichung (75) ergibt.